Hans Georg Berger


Bilder einer glücklichen Stadt


Het Bun Dai Bun: die Zeremonien der Mönche von Luang Prabang


Luang Prabang, die schöne alte Hauptstadt des laotischen „Reiches der Million Elefanten und des Weißen Schirms", bewahrt bis auf den heutigen Tag seine jahrhundertealten Feste, Riten und Bräuche. In vierunddreißig Klöstern feiern Laien und Mönche die friedvollen, komplexen Zeremonien des Theravada-Buddhismus in großer Nähe zu anderen religiösen Traditionen: der Naga-Verehrung, dem Brahma-nismus, dem Animismus.

Seit dem Ende des Vietnamkriegs Mitte der siebziger Jahre und der Revolution des Pathet Lao war die Stadt im Norden von Laos kaum zugänglich, bis sich die laotische Regierung Anfang der neunziger Jahre zu einer vorsichtigen Öffnung des Landes entschloss. Die ersten Besucher entdeckten mit Staunen und Bewunderung eine städtische Kultur von eigenartiger Schön­heit, Würde und geistiger Kraft.

In einem ungewöhnlichen Photographie-Projekt habe ich von 1994 bis 1999 Feste, Zeremonien und das Klosterleben Luang Prabangs dokumentiert. Von Anfang an war das Projekt auf eine enge Zu­sammenarbeit mit den Mönchen, Novizen und Laien der Stadt angelegt. Gemeinsam wurden Gegen­stand und Methode der photographischen Arbeit erörtert. Jede Positionierung der Kamera, fast jedes einzelne Bild unterlag der kritischen Begutachtung derjenigen, die abgebildet werden sollten. In den über zehntausend Aufnahmen, die so seit 1994 in Luang Prabang entstanden sind, gibt es kaum ein zufälliges, rasch geschossenes Photo. Das gemein­sam verabredete Ziel der Arbeit war es, den Reich­tum der Feste Luang Prabangs nicht nur genau auf­zuzeichnen und für die Nachwelt zu erhalten, son­dern durch die Arbeit auch alle, die die Rituale und Zeremonien bis heute feiern, darin zu bestärken. Denn in Luang Prabang, der glücklichen Stadt zwischen den Flüssen Mekong und Khan, hat sich ein kulturelles Erbe erhalten, das an den meisten Orten Südostasiens durch kriegerische Ereignisse, die rasante wirtschaftliche Entwicklung und den damit einhergehenden Verlust an Identität verschüttet wurde. Dabei sind die Ausdrucksformen der laotischen Zeremonien eigenwillig und eigenständig. Irdische und nichtirdische Gestal­tungen haben nebeneinander Platz und ihre im Ritual sorgsam definierten Rollen.


Weihezeremonien der Klöster
Für die laotischen Buddhisten ist der Mönch, der nach strenger Regel in Armut und persönlicher Be­sitzlosigkeit im Kloster lebt, das Abbild des Buddha und die Verkörperung des von ihm formulierten Gesetzes, des Dhamma. Er ist darüberhinaus ein Beispiel, das zu einer ständigen Aufforderung an den Laien wird, die Welt mit ihren Sorgen um Beruf und Familie ebenfalls zu verlassen, um zu einem Bettler zu werden, der sich nur von den täglichen Almosengaben der Laien ernährt. Denn dies ist der einzige richtige Weg zur Erleuchtung und Erlösung, die die Mönche anstreben: Nur sie können nach der Lehre der Theravadins das Nirvana, das Ende des leidvollen Kreislaufs von Leben, Tod und Wieder­geburt, erreichen. In der städtischen Gemeinschaft von Luang Prabang haben die Mönche eine wich­tige soziale Rolle inne. Sie sind geistliche Lehrer und Berater. Sie stellen aber auch eine Beziehung zwischen den Toten und den Lebenden her sowie zwischen diesem Leben und dem Ende der Wieder­geburten, denn sie vergrößern jedes Verdienst, das der Laie erwirbt, allein schon durch ihre Anwe­senheit. Jeder männliche Laie kann für eine Zeit, deren Dauer er selbst bestimmt, Mönch und Mitglied der Mönchsgemeinschaft, des Sangha, werden. Die Mönchsweihen sind ein bedeutendes Fest für das Kloster und das umliegende Stadtviertel.


Die Mönchsordination
Das zentrale Ritual des laotischen Buddhismus, upasombot, die Mönchsordination, ist der Garant für das Fortbestehen des Sangha. Alle Beteiligten sprechen bei dieser Zeremonie Pali, die indische Sakralsprache der Theravadins. Nach langer Vor­bereitungszeit, an deren Ende das Kopfhaar der neuen Mönche geschoren wird, bitten diese mit seit Jahrhunderten unveränderten Worten um ihre Auf­nahme in das Kloster. Der Abt erinnert sie an die vier traditionellen Bedingungen des Mönchslebens: den täglichen Almosengang für die Nahrung, die Bekleidung mit Stoffresten, das Wohnen in Wäldern zur Förderung der Meditation, den Gebrauch von Naturmedizin bei Krankheit. Nach seiner Aufnahme wendet sich der neu geweihte Mönch den Laien zu, die Geschenke für ihn vorbereitet haben. Durch ihre Annahme gibt er den Laien Gelegenheit, besonderes Verdienst zu erwerben.


Mit diesen Worten bittet der neue Mönch um seine Aufnahme in den Sangha:
Ehrwürdige Lehrer, ich nehme mir zum Vorbild den erleuchteten Buddha, der seit langer Zeit das große Nirvana erreicht hat, ich folge seiner Lehre und dem Weg seines Ordens.
Erlaubt mir, Ehrwürdige Lehrer, als Bhikkhu geweiht zu werden!
Ich bitte Euch, Ehrwürdige Lehrer, nehmt mich nun auf in Euren Kreis! Nehmt an, Ehrwürdige Lehrer, diese Mönchsroben und erteilt mir voll Güte die Weihe als Mönch!"


Vor der Zeremonie bauen Frauen kegelförmige Ge­stecke aus Bananenblättern und Blüten als Opfer­gabe in der Form eines Stupa, dem buddhistischen Symbol für das Nirvana. Während der Abt die Formel für die Aufnahme der Mönche spricht, ver­deckt er sein Gesicht mit einem Fächer in der Form des Blatts des Bodhibaums. Damit drückt er aus, dass er nicht als Einzelner, sondern als Vertreter des Sangha handelt.


Die Novizenweihe
Zwischen dem zwölften und zwanzigsten Lebensjahr treten die männlichen Jugendlichen für eine be­grenzte Zeit als Novizen in eines der Klöster ein. Das Verdienst, das sie dabei erwerben, geben sie vor allem an ihre Mutter weiter. Ein Su-Khuan-Ritus im Elternhaus und eine Prozession mit der Familie zum Kloster gehen der Einkleidung des Novizen mit der safranfarbenen Robe durch die Mönche voraus. Diese Robe und die Almosenschale schenkt der Vater des Novizen seinem Sohn, der sie an den Abt weitergibt. Nach der dreifachen Verbeugung - vor dem Buddha, vor der Lehre, vor der Mönchsgemeinschaft - nimmt der Abt den Novizen mit diesem banphasa genannten Ritual in die klösterliche Gemeinschaft auf. Die um­fassenden Regeln der Mönche gelten für den Novi­zen nur zum Teil; aber auch ihm werden strenge Auflagen erteilt: er darf kein noch so kleines Lebe­wesen töten, nicht stehlen, keine Geschlechtsbe­ziehung unterhalten, nicht lügen. Essen und Trinken sind eingeschränkt, er darf nicht tanzen, keine Musik hören, sich nicht mit Blumen schmücken, nicht in weichen Betten schlafen, kein Geld annehmen. Er wird dafür von den Laien besonders geachtet, auch von seinen Eltern, die im Gespräch mit ihm jene Zurückhaltung annehmen, die von jedermann erwar­tet wird, der die Mönche in ihren Klöstern aufsucht.


Zur Verabschiedung des Novizen aus dem Elternhaus werden diese Worte rezitiert:


Kleiner Nak, Du willst das Haus der Familie ver­lassen, Du entfernst Dich von Deinen Eltern und trittst ein in die Religion. Du denkst nun an Deine Eltern, an ihre Liebe für Dich seit sie Dich gezeugt haben. Als Du zur Welt kamst, haben sie Dich gewaschen, Dich mit einem großen Tuch bedeckt, Deine Nabel­schnur mit einem Bambusstöckchen durchtrennt. Deine Mutter hat Dich umarmt und Dich genährt; sie hat Dich getröstet, wenn der Donner der Regenzeit Dich erschreckt hat. Nun sind Dein Vater und Deine Mutter mit Verwandten und Freunden um Dich ver­sammelt. Wir werden zur Pagode gehen. Alle not­wendigen Gaben sind hier, kleiner Nak: die Almo­senschale, das Mönchsgewand, das Bett und die Gaben für die Mönche, die Dich aufnehmen wollen..."


© Hans Georg Berger (1999)